(ch) SBB Fernverkehr bietet neu "Perronbillett" an29.06.2013
Ende 2011 hat die SBB die Billettpflicht vom Regionalverkehr auch auf Fernverkehrsverbindungen ausgeweitet. "Billettpflicht" bedeutet dabei, dass die Reisenden beim Einstieg im Besitze eines zur entsprechenden Fahrt gültigen Fahrausweises sein müssen - als direkte Folge sind Fahrkarten nicht mehr im Zug zu kaufen. Dies hat dazu geführt, dass die Zahl der angetroffenen Schwarzfahrer (rechtlich "Reisende ohne Fahrausweis") gemäss SBB von rund 850 pro Tag vor der Einführung der generellen Billettpflicht auf rund 1200 pro Tag angestiegen ist.
Die Billettpflicht im Fernverkehr hat zu erheblicher Kritik von verschiedenen Seiten geführt. Die SBB haben deshalb beschlossen, ab 1. Juli 2013 ein so genanntes "Perronbillett" anzubieten. Wer kurzfristig keine Gelegenheit hat, am Schalter, am Automat, online oder mobile ein Billett zu lösen, kann sich vor Abfahrt - noch auf dem Perron - an die im Fernverkehr vorhandenen Zugbegleiter wenden und bei ihnen gegen einen Fahrschein erwerben. Dieser Service kostet CHF 10 pro Billett.
Diese Lösung ist eigentlich nichts Neues. Vor vielen Jahren war es gängige Praxis und Kulanz, dass sich Reisende ohne Billett vor Zugsabfahrt aktiv beim Zugspersonal meldeten und diese dann ein Billett geschrieben haben. Es wird sich zeigen, wie die Regelung unter den heutigen Randbedingungen funktioniert. Die SBB gehen davon aus, dass der Zuschlag von CHF 10 genügend Druck ausübt um nicht zu Schlangen vor den Zugbegleitern zu führen und um die Züge pünktlich abfahren zu lassen.
Dass sich Reisende ohne Billett an die Zugbegleiter wenden können, ist auch im aktuellen Bundesgesetz über die Personenbeförderung (745.1) indirekt erwähnt. Im Artikel 20 "Reisende ohne Fahrausweis" steht "Der Zuschlag kann gesenkt oder erlassen werden, wenn die reisende Person unaufgefordert erklärt hat, sie besitze keinen gültigen Fahrausweis…". Die "kann"-Form zeigt aber, dass kein Anspruch besteht. Gleichzeitig steht im gleichen Artikel auch noch "Die Unternehmen legen im Tarif die Höhe des Zuschlags fest. Sie regeln darin auch die Ausnahmefälle und die Rückerstattung." Die Handhabung muss von den Verkehrsunternehmen also bekannt gegeben werden, kann aber im Wesentlichen von ihnen selbst bestimmt werden.
Generelle Billettpflicht ursprünglich vom VöV beschlossen
Die Billettpflicht im Fernverkehr wurde 2011 eigentlich vom Dachverband des öffentlichen Verkehrs (VöV) beschlossen. Verschiedene Mitglieder - zum Beispiel die im Gegensatz zur SBB stärker touristisch ausgerichtete RhB und die MGB - haben die Regelung jedoch nicht übernommen und verkaufen weiterhin Fahrkarten (in der Regel gegen Aufpreis) in Fernverkehrszügen. Die Bedürfnisse der verschiedenen Unternehmen sind jedoch sehr unterschiedlich. In der Schweiz verschmelzen vielerorts Fern- und Regionalverkehr. Zum Teil sind die Fahrzeiten zwischen zwei Halten von Fernverkehrszügen so kurz und die Auslastung der Züge so hoch, dass es absolut nicht realistisch ist, dass die Fahrgäste vollumfänglich kontrolliert werden können, respektive alle Reisenden erreicht werden, welche eine Fahrkarte kaufen möchten. Ein Beispiel sind IC mit Halten in Winterthur, Zürich Flughafen und Zürich. Hier ist es aus Sicht der SBB verständlich, dass in solchen Fernverkehrszügen das Schwarzfahren nicht risikoloser als im S-Bahn-Verkehr sein soll.
Welche Züge begleitet sind und deshalb die Möglichkeit des "Perronbilletts" bieten, ist für die Reisenden weiterhin nicht vollumfänglich klar. Die RegioExpress-Züge sind nur teilweise begleitet und die Zuordnung Regionalverkehr/Fernverkehr nicht unmittelbar erkennbar.